Die größte Herausforderung war die Aufnahme von knapp 4.000 ukrainischen Kriegsflüchtlingen in den Zuständigkeitsbereich des Jobcenters. Aber auch die ausklingende Corona-Pandemie hat immer noch Auswirkungen auf das Jobcenter und die leistungsberechtigten Bürger*innen gezeigt.
„Die Aufnahme von 4.000 ukrainischen Kriegsflüchtlingen innerhalb von wenigen Monaten war ein enormer Kraftakt, der nur durch die Bündelung aller Kräfte innerhalb des Jobcenters und im Zusammenspiel mit der Stadt gelingen konnte“, beschreibt Thomas Lenz, Vorstandsvorsitzender des Jobcenters, die Situation. Vorteilhaft dafür war die Einrichtung des „Ukraine Service Centers“ im Wiküler Park, wo Jobcenter, Ausländerbehörde, Ressort Zuwanderung und Integration sowie das Einwohnermeldeamt Hand in Hand arbeiten.
Krisenmodus ist für das Jobcenter Wuppertal fast schon Normalität
Die Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Jobcenter zunehmend zu Organisationen der kommunalen Krisenbewältigung geworden sind, wie dies schon bei der Integration der syrischen Geflüchteten oder bei der Corona-Pandemie der Fall war. Alleine im Ukraine Service Center haben bis zu 45 Beschäftigte gearbeitet, ohne dass die Politik dafür zusätzliche Mittel bereitgestellt hat.
„Diese Personen fehlen natürlich an anderer Stelle. Der Spagat zwischen Kerngeschäft und Krisenmanagement hat jetzt schon zur teilweisen Überforderung der Organisation geführt und wird auf Dauer ohne zusätzliche Mittel nicht zu schaffen sein“, spricht Thomas Lenz klare Worte.
Jahresergebnis 2022 nur knapp unter den Zielwerten
Trotz erschwerter Rahmenbedingungen und der konjunkturellen Eintrübung im Spätherbst hat das Jobcenter mit rund 6.700 Vermittlungen in sozialversicherungspflichtige Arbeit oder Ausbildung den Zielwert von 20,5 Prozent nur knapp verfehlt. Auch die Zahl der Regelleistungsberechtigten stieg gegenüber dem Vorjahr nur um rund 1.000 Personen auf 47.745.
Für Dr. Andreas Kletzander, Vorstand Arbeitsmarkt und Kommunikation sind das gute Zahlen: „Wir haben den Eingliederungstitel von 48,2 Mio. zu 99,7 Prozent ausgeschöpft und konnten dabei 15.000 Menschen ein konkretes Angebot machen wie eine Ausbildung, Umschulung oder ein persönliches Coaching.“
Besonders im Blick waren dabei junge Menschen. 694 davon wurden in eine betriebliche und weitere 210 in eine außerbetriebliche Ausbildung vermittelt. „Hier zahlt es sich aus, dass wir für junge Menschen mit erhöhtem Förderbedarf ein breites Spektrum an Ausbildungsberufen anbieten können wie z.B. in der Fahrradmeisterei“, so Kletzander weiter.
Auf hohem Niveau stabilisiert hat sich die Zahl der im Rahmen des Teilhabechancengesetzes geförderten Stellen: Ende 2022 waren rund 500 Menschen im sogenannten sozialen Arbeitsmarkt beschäftigt. Landesweit beispielhaft sind dabei die über 160 Stellen, die zusätzlich von der Stadt Wuppertal gefördert werden, um Aufgaben im kommunalen Interesse - wie z.B. die Pflege der Nordbahntrasse – ermöglichen zu können.
Akzente hat das Jobcenter auch im Bereich der Verknüpfung von Arbeits- und Gesundheitsförderung gesetzt. In das Rehapro-Projekt „Bergauf“ wurden die ersten 100 Frauen aufgenommen, die durch vielfältige individuelle Gesundheitsangebote schrittweise wieder in Arbeit und Gesellschaft integriert werden. Ausgebaut wurden auch die Beratungsangebote für die Berufliche Rehabilitation.
Jobcenter als Vorreiter bei neuen Raumkonzepten
Ein Meilenstein in der Organisationsentwicklung war 2022 der Bezug der neuen Räumlichkeiten in der Schwarzbach in Oberbarmen. „An diesem Standort haben wir konsequent unser neues Raumkonzept mit Desk Sharing und flexibler Flächennutzung umgesetzt“, berichtet Uwe Kastien, Vorstand Personal und Finanzen. „Wir sind damit auch Vorreiter in der kommunalen Familie“.
Was den Ausblick auf Jahr 2023 angeht, zeigt sich der Vorstand zurückhaltend: „Die letzten Jahre haben gezeigt, wie schnell sich Rahmenbedingungen ändern und wie unerwartete Entwicklungen die Organisation treffen. Auch wenn wir als Jobcenter sowohl die Folgen von Pandemie als auch Flucht gut bewältigt haben, so erwarten uns auch 2023 neue Herausforderungen“, so Thomas Lenz und nennt als Beispiel die Einführung des Bürgergeldes, die aus seiner Sicht mehr Chancen als Risiken bietet.
Ein Schwerpunkt wird 2023 auch die Betreung der ukrainischen Menschen sein, wo nun nach erfolgter Existenzsicherung verstärkt auch die soziale und berufliche Integration in den Fokus rückt. Weitere Herausforderungen sind die Umsetzung des Chancenaufhenthaltsgesetzes oder die finanziellen Belastungen der Bürger*innen infolge steigender Energie- und Lebenshaltungskosten.
Der Vorstand geht daher unisono davon aus, dass in 2023 Aufgaben und Arbeitsaufwand nochmals gegenüber dem Vorjahr steigen werden. Dem gegenüber steht keine Steigerung der Haushaltsmittel, im Eingliederungsbereich sinken die Mittel sogar um drei Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr.
„Die Jobcenter haben sich in den letzten Jahren als verlässliche Krisenmanager und Garanten des sozialen Friedens erwiesen. Wenn man uns jetzt noch weitere Aufgaben draufpackt, erwarte ich auch eine ausreichende Finanzierung“, so Thomas Lenz abschließend.
Zahlen und Fakten
2022 | 2021 | |
Regelleistungsberechtigte | 47.745* | 46.731 |
Bedarfsgemeinschaften | 23.269* | 22.809 |
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte | 33.116* | 32.440 |
Integrationsquote | 20,1 %** |
20,5 % |
Abgänge in sozialversicherungspflichtige Arbeit und Ausbildung |
6.700** |
6.917 |
Regelleistungen zum Lebensunterhalt |
197,0 Mio. Euro |
199,4 Mio. Euro |
Kosten der Unterkunft und einmalige |
128,1 Mio. Euro |
126,4 Mio. Euro |
Eingliederungstitel |
45,1 Mio. Euro |
48,0 Mio. Euro |
Leistungen nach dem Bildungs-und Teilhabepaket |
8,9 Mio. Euro |
6,6 Mio. Euro |
*Hochrechnung Statistik der Bundesagentur für Arbeit
**Prognose der Jobcenter Wuppertal AöR